Seelenblind.

Weil du die Augen offen hast, glaubst du, du siehst. (Goethe)


Seelenblindheit, auch visuelle oder optische Agnosie genannt, ist eine Störung bei der Verarbeitung visueller Reize durch das Gehirn. Sie entsteht durch eine Schädigung des Sehzentrums im Occipitallappen und führ dazu, dass betroffene Personen unfähig sind, etwas zu erkennen, obwohl sie es sehen.


Es wird unterschieden zwischen apperzeptiver und assoziativer Seelenblindheit - das eine beschreibt das Unvermögen die verschiedenen Elemente der Wahrnehmung zu einem kohärenten Ganzen zusammenzufügen, das andere tritt auf, wenn man seine Vorstellungen nicht mit den tatsächlichen Informationen und Wahrnehmungen vereinen kann.


Und irgendwie... sind wir es alle. Wir sind alle apperzeptiv
und assoziativ seelenblind. Zusammengefasst könnte man es nennen: emotionale Seelenblindheit.


Wir sind unfähig alle Dinge so zu erfassen wie sie sind, und sie zu einem Ganzen zusammenzufügen. Und gleichzeitig hängen wir so sehr an unseren Vorstellungen, an unseren Wünschen und Hoffnungen, dass wir es oft nicht schaffen der Wahrheit ins Auge zu sehen. Es ist nicht so wie wir es gerne hätten. Wir erkennen Probleme und sind unfähig einen Lösungsweg zu finden - obwohl uns durchaus bewusst ist, wodurch und wieso diese Probleme überhaupt existieren. Wir stecken fest in Situationen, die wir uns selbst geschaffen haben - obwohl uns schon am Anfang klar war, wie es am Ende sein wird.


Es passiert viel. Und nur das Wenigste können wir kontrollieren. Wir verlieben uns, wir werden verletzt, wir verlieren und scheitern. Und während wir uns erfolgreich einreden wir würden nichts empfinden, uns ginge es gut, wir wären nicht verletzt und enttäuscht... da sind wir es. Emotional seelenblind. Wir sehen alles und fühlen nichts. Oder zumindest glauben wir das.
Natürlich schützt uns das. Aber ist es ehrlich? Und wollen wir es wirklich sein? Irgendwie ist es doch nichts weiter als noch eine Ausrede, um uns nicht uns selbst stellen zu müssen. Wir verschließen uns vor Dingen, die uns glücklich machen könnten. Aus denen wir lernen könnten. Die uns einen Schritt weiter bringen. Wir müssen uns verlieben, müssen verletzt werden. WIr müssen scheitern und verlieren. Und zwar ganz bewusst und fühlend. Wenn wir erkennen, dass wir ein Problem haben und es nur lösen können wenn wir etwas ändern - dann sollten wir es tun. Wir sollten loslassen und alles aufgeben, was wir sind. Es ist das Leben. Sehend und fühlend. Es geht nicht darum sich zu verstecken. Es geht nicht darum die Augen zu schließen und zu warten, bis es vorbei ist. Es geht ums Weitermachen. Darum, sich ständig neu zu erfinden. Sich selbst und der Welt zu begegnen: wach und bereit. Egal ob wir dabei Freude, Trauer, Schmerz, Verzweiflung, Glück oder Angst entdecken - es geht darum, die Augen zu öffnen und mit dem Herz zu
sehen
.

The truth about love.

Es ist ständig die selbe Geschichte. Jemand trifft die Liebe seines Lebens und die beiden verlieben sich. Vielleicht entschließen sie zu heiraten, Kinder zu kriegen. Auf jeden Fall sind sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.

 

Niemand erzählt, dass es in Wahrheit auch anders laufen kann. Vielleicht begegnest du der Liebe deines Lebens – und stellst fest, dass das Gefühl nur einseitig ist. Vielleicht werdet ihr euch niemals verlieben, heiraten oder Kinder kriegen. Vielleicht triffst du stattdessen jemand anderen. Jemanden, der vielleicht nicht die Liebe deines Lebens ist, aber immerhin jemand, den du gern haben kannst. Und vielleicht bist du trotzdem glücklich und zufrieden bis ans Ende deiner Tage.

 

Über die Liebe gibt es so viele Wahrheiten wie Menschen, die sie fühlen. Wir alle lieben so verschieden, wie wir sind. Manche sind ständig auf der Suche, andere finden, obwohl es gar nicht geplant war. Und trotzdem leben wir alle in dem Glauben, es gäbe diese eine, allgemeingültige Formel. „Du darfst nicht suchen, du musst gefunden werden.“, „Wenn es nicht hinhaut, dann war er nicht der Richtige“. Ist das wirklich so? Wer gibt uns die Garantie dafür, dass es in der Liebe ein Richtig und ein Falsch gibt?

 

Die Wahrheit über die Liebe ist, dass es einfach keine eine, reine Wahrheit gibt. Es kann alles passieren. Du kannst dich Hals über Kopf in einen Mensch verlieben, dessen Namen du nicht einmal kennst. Du kannst die Liebe deines Lebens treffen und nichts weiter davon mitnehmen als eine Erinnerung. Es kann passieren, dass du dich jahrelang an etwas klammerst, das dir nichts weiter bringt als Leid und Schmerz – und doch bezeichnest du es als Liebe.

 

Wir können es nicht definieren. Können keine allgemeinen Regeln aufstellen. Wir schreiben die Anleitung selbst. Wir beschließen selbst wie wir damit umgehen, was uns wichtig ist und wo unsere Grenzen sind. Wir müssen selbst entscheiden, ob für uns Liebe nur existiert, wenn sie auf Gegenseitigkeit beruht. Wir selbst bestimmen was wir fühlen – egal wie wahnsinnig und verrückt es auch sein mag.

 

Irgendjemand hat mal zu mir gesagt: wahre Liebe ist es dann, wenn man sich darauf einigen kann gemeinsam grenzenlos zu sein. Und was mich betrifft, so ist das meine ganz persönliche Wahrheit über die Liebe: es geht darum grenzenlos sein zu dürfen – zu zweit.

Land unter.

Hin und wieder passiert es. Wasserdampf kondensiert in der Atmosphäre und bildet Wolken. Dieser Wasserdampf wächst an zu Regentropfen, und bei der richtigen Temparatur und wenn sie das richtige Gewicht erreicht haben, fallen sie zur Erde. Einfach so. Plötzlich beginnt es zu regnen. Nieseln, prasseln, Starkregen, Platzregen, Sprühregen.. es gibt so viele Arten. Manchmal dauert es nur ein paar Minuten, manchmal Stunden oder Tage. Und je mehr es regnet, desto schlimmer wird es. Wasserpegel steigen, Dämme brechen. Land unter. Überflutung. Überall. Und es gibt kein Entkommen. Alles was wir tun können, ist in die Hände zu spucken und das Chaos zu beseitigen, gegen die Wassermassen ankämpfen und die Schäden reparieren. Nicht darüber nachdenken, was wir alles verloren haben - und versuchen, die Dinge zumindest halbwegs zu ersetzen.

Und irgendwie... sind wir es auch. Land unter. Manchmal sogar bei blauem Himmel und Sonnenschein. Manchmal brechen unsere Dämme, und das Leben überflutet uns mit seiner ganzen Macht. Es prasselt auf uns ein, überschwemmt uns mit all dem Unglück und der Hoffnungslosigkeit, die es zu bieten hat. Wir gehen unter. In einem Strudel aus Sorgen, Schmerz und Sehnsucht. Wir können nichts machen. Wenn unsere Dämme brechen sind wir hilflos. Wir können nur in die Hände spucken und all die Sorgen, den Schmerz und die Sehnsucht wieder hinausschöpfen aus Kopf, Herz und Seele. Die Dämme reparieren. Das Chaos beseitigen. Und trotzdem wird es nie wieder werden, wie es einmal war. Es wird sich nie wieder so richtig sicher anfühlen.. jedesmal wenn es regnet, werden wir panisch befürchten, dass alles um uns erneut einstürzen könnte. Also bauen wir unsere Dämme dicker, stabiler, undurchdringlicher - und vergessen dabei, dass wir so vielleicht die Sintflut verhindern, aber irgendwie auch das Leben.

Vielleicht muss es manchmal einfach sein: Land unter. Vielleicht müssen wir manchmal versinken, und sei es nur um all die unwichtigen Dinge wegzuspülen, die uns ständig Platz wegnehmen, aber doch schon ewig nicht mehr gebraucht werden. Erinnerungen, die uns belasten. Fundstücke aus einem früheren Leben, das schon längst vergangen ist. Vielleicht müssen manchmal unsere Dämme brechen - um uns zu zeigen, dass wir menschlich sind. Wir können nichts verhindern und haben seltener alles im Griff, als wir es glauben.

Land unter. Herz auf. Während wir im Leben versinken, wird uns vielleicht bewusst, wozu wir schwimmen gelernt haben. Wird uns klar, dass es darum geht zu paddeln, den Kopf nach oben zu halten und bei Gott nicht unterzugehen. Wir müssen in die Hände spucken und das Chaos beseitigen, das die Flut angerichtet hat. Aus Schmerz und Sehnsucht Zuversicht schöpfen. Und wenn die Überflutung weg ist, die Schäden repariert, die Dinge ersetzt... dann werden wir hoffentlich verstehen: erst Land unter - dann bergauf.

to do: eine Welt erschaffen

Ich schreibe es immer wieder: es passiert viel. Weil es die Wahrheit ist. Wir erleben, wir lernen, wir schreiten ständig voran. Wir entwickeln uns und werden - jeden Tag. Wir bilden Traumstrände aus den Sandkörnern der Wünsche, wir basteln Firmamente aus den Sternen, die wir fangen. Wir befüllen ganze Ozeane mit Erinnerungen, türmen Berge aus Sehnsucht und Hoffnung an. Wir erschaffen ganze Welten, kreieren ein Zuhause für unser Herz und unsere Seele. Siedlungen aus Luftschlössern, Gallerien voller Gedankenbildern. Aus Liebesgeschichten werden Romane, aus den Landkarten unseres Lebens entstehen ganze Atlanten.. wir gestalten uns ein Leben, reich an tausenden Dingen, von denen wir nichtmal wissen, dass wir sie eigentlich besitzen.

Und während die Zeit voranschreitet verlieren wir praktisch alles, was wir jemals besessen haben. Erinnerungen werden vage, die Traumstrände aus Wünschen werden kleiner und realistischer. Wir beenden die Liebesromane und irgendwann haben wir alle Ecken und Enden der Atlanten unseres Lebens gesehen. Irgendwann wird der Moment kommen, da haben wir ein ganzes Leben gelebt. Was danach wohl kommen mag?

Jedem von uns ist klar, dass es irgendwann enden wird. Alles. Irgendwann werden wir aufhören zu werden und anfangen gewesen zu sein. Wir müssen keine Angst davor haben. Es wird ohnehin passieren. Das einzige, das wir tun können, ist es richtig zu machen. So zu leben, dass wir wenigstens in der Gewissheit gehen, dass wir all das gehabt haben: die Traumstrände, die Siedlungen, die Ozeane und Berge. Vielleicht geht es auch ein wenig darum: am Ende die Gewissheit zu haben, dass wir ein Leben lang zu Hause waren. In einer Welt, die wir selbst konstruiert haben. Deren sonnige Auen und gefährliche Schluchten unser alleiniger Verdienst ist. Dass wir unsere Welt bereist haben, kennengelernt. Vielleicht haben wir uns manchmal ein wenig verlaufen oder gar darin verloren.. aber am Ende gehört uns immer eine ganze Welt. Befüllt mit einem ganzen Leben.

Aber das wirklich Schöne daran ist: bevor wir guten Gewissens gehen können, eine ganze Welt voller Leben im Gepäck, müssen wir sie erstmal erschaffen. Müssen sie befüllen, Traumstrände bilden, Firmamente basteln, Berge auftürmen, Siedlungen aus Luftschlössern bauen, Gallerien gestalten, Liebesromane schreiben, Atlanten anlegen... wir haben so viel zu tun. Und wir sind es uns selbst schuldig, dass wir all diese Dinge auch wirklich erledigen - es wäre einfach zu viel Platzverschwendung es nicht zu tun.

 

Für Lini-Oma.