Land unter.

Hin und wieder passiert es. Wasserdampf kondensiert in der Atmosphäre und bildet Wolken. Dieser Wasserdampf wächst an zu Regentropfen, und bei der richtigen Temparatur und wenn sie das richtige Gewicht erreicht haben, fallen sie zur Erde. Einfach so. Plötzlich beginnt es zu regnen. Nieseln, prasseln, Starkregen, Platzregen, Sprühregen.. es gibt so viele Arten. Manchmal dauert es nur ein paar Minuten, manchmal Stunden oder Tage. Und je mehr es regnet, desto schlimmer wird es. Wasserpegel steigen, Dämme brechen. Land unter. Überflutung. Überall. Und es gibt kein Entkommen. Alles was wir tun können, ist in die Hände zu spucken und das Chaos zu beseitigen, gegen die Wassermassen ankämpfen und die Schäden reparieren. Nicht darüber nachdenken, was wir alles verloren haben - und versuchen, die Dinge zumindest halbwegs zu ersetzen.

Und irgendwie... sind wir es auch. Land unter. Manchmal sogar bei blauem Himmel und Sonnenschein. Manchmal brechen unsere Dämme, und das Leben überflutet uns mit seiner ganzen Macht. Es prasselt auf uns ein, überschwemmt uns mit all dem Unglück und der Hoffnungslosigkeit, die es zu bieten hat. Wir gehen unter. In einem Strudel aus Sorgen, Schmerz und Sehnsucht. Wir können nichts machen. Wenn unsere Dämme brechen sind wir hilflos. Wir können nur in die Hände spucken und all die Sorgen, den Schmerz und die Sehnsucht wieder hinausschöpfen aus Kopf, Herz und Seele. Die Dämme reparieren. Das Chaos beseitigen. Und trotzdem wird es nie wieder werden, wie es einmal war. Es wird sich nie wieder so richtig sicher anfühlen.. jedesmal wenn es regnet, werden wir panisch befürchten, dass alles um uns erneut einstürzen könnte. Also bauen wir unsere Dämme dicker, stabiler, undurchdringlicher - und vergessen dabei, dass wir so vielleicht die Sintflut verhindern, aber irgendwie auch das Leben.

Vielleicht muss es manchmal einfach sein: Land unter. Vielleicht müssen wir manchmal versinken, und sei es nur um all die unwichtigen Dinge wegzuspülen, die uns ständig Platz wegnehmen, aber doch schon ewig nicht mehr gebraucht werden. Erinnerungen, die uns belasten. Fundstücke aus einem früheren Leben, das schon längst vergangen ist. Vielleicht müssen manchmal unsere Dämme brechen - um uns zu zeigen, dass wir menschlich sind. Wir können nichts verhindern und haben seltener alles im Griff, als wir es glauben.

Land unter. Herz auf. Während wir im Leben versinken, wird uns vielleicht bewusst, wozu wir schwimmen gelernt haben. Wird uns klar, dass es darum geht zu paddeln, den Kopf nach oben zu halten und bei Gott nicht unterzugehen. Wir müssen in die Hände spucken und das Chaos beseitigen, das die Flut angerichtet hat. Aus Schmerz und Sehnsucht Zuversicht schöpfen. Und wenn die Überflutung weg ist, die Schäden repariert, die Dinge ersetzt... dann werden wir hoffentlich verstehen: erst Land unter - dann bergauf.