Prosit Neujahr

Wenn etwas hinter dir liegt, und sei es nur ein vergangenes Jahr, so erinnerst du dich ständig nur an die wirklich bedeutenden Momente. An das, was wichtig war, was Spuren hinterlassen hat. Wir erleben täglich 86 400 Sekunden, 86 400 Momente - und es ist völlig unmöglich alle in Erinnerung zu behalten. Es geht um das, was uns nachhaltig beeinflusst, was uns Gänsehaut beschert und uns glücklich macht. Ebenso geht es um Leid, um unsägliche Schmerzen, um Kälte und Einsamkeit. Was hat geendet, was hat begonnen. Wo bist du hingegangen, wo bist du gelandet. Was ist passiert, was ist aus dir geworden. Wer hat dich begleitet, wer hat dich verlassen. Was hast du gelernt und wie bist du gewachsen.

 

Das Leben misst sich nicht an der Anzahl seiner Momente, sondern an deren Bedeutung. Wie viele bedeutsame Momente, egal ob gut oder schlecht, hast du im vergangenen Jahr erlebt? Haben sie dich geprägt? Hast du etwas gelernt? Hast du dich entwickelt? Das ist es, worum es geht. Es geht nicht darum so viele Jahre wie möglich hinter sich zu bringen, es geht darum den Jahren Bedeutung zu verleihen.

 

2015 war ein katastrophales Jahr. Nicht nur für mich. Für die ganze Welt. So viele Menschen haben ihr Zuhause verloren, ihre Familien, sich selbst. Es gab Terror und Mord, Abschied und Tränen. Krieg. Es war ein furchtbares Jahr. Manche sind vor dem Krieg geflohen, andere haben ihn mit sich selbst ausgefochten. Und es war für keinen leicht. Viele sind daran zerbrochen, viele sind zerstört und verletzt. Und egal ob die Wunden physischer oder psychischer Art sind - die Heilung wird wohl noch bis weit ins neue Jahr reichen.

 

Es ist schwer anzufangen. Silvester mag wohl bedeuten ein neues Jahr einzuläuten, aber sind deshalb wirklich die letzten 365 Tage verschwunden, vergangen? Wie ehrlich ist ein JahresANFANG, wenn so viele Dinge noch nicht beendet sind? Und in Wirklichkeit ist es einfach schwachsinnig am 31. Dezember auf ein vergangenes Jahr anzustoßen, wenn doch in Wahrheit alles doch immer nur wieder weitergeht. Das Leben bindet sich nicht an irgend ein Datum, es hört weder auf noch fängt es an wenn der Kalender es bestimmt. Wir selbst sind es, die beschließen wann etwas zu Ende ist und wann etwas anfangen darf.

 

Wir haben 2015 Verluste erlitten, schmerzhafte Erfahrungen gemacht, Tränen vergossen und getrauert. Wir haben gelacht, gefeiert, uns gefreut und Erinnerungen geschaffen. Und was mich betrifft, so habe ich etwas gelernt, was sich auf ewig unter meine Haut gebrannt hat. Zerstörung ist der Weg zum Wandel. Ich habe meinen ganz persönlichen Krieg mit dem Leben ausgefochten, der fast alles zerstört hat, woran ich jemals glaubte. Fabelhafte Traumgebilde sind zu Ruinien geworden, Zuversicht und Hoffnung sind im Wirbel des Lebens untergegangen. Ich habe gekämpft und verloren, bin aufgestanden und wieder hingefallen. Und dann, ganz knapp zum Jahresende, hat mir das Leben nochmal mit voller Wucht den Stinkefinger gezeigt. Für mich ist das Jahr nicht beendet und abgeschlossen, nichts ist vergangen und vergessen. Es wird neue Herausforderungen geben. Viele. Sie werden mich wieder an meine Grenzen bringen. Aber ich werde daran wachsen. Ich werde lernen und stärker werden, ich werde meine Suche nach dem Glück nicht aufgeben, solange ich noch glauben kann, dass es irgendwo zu finden ist. 

Das Wetter wird wieder wolkig bis heiter.

 

Es gibt Dinge, von denen wir nicht wollen, dass sie geschehen, aber die wir akzeptieren müssen. Dinge, die wir nicht wissen wollen, aber lernen müssen. Und Menschen ohne die wir nicht leben können, die wir aber gehen lassen müssen.

 

Prosit Neujahr.