Anfang als Ausweg.

Woran kannst du noch glauben, wenn alles vergangen ist? Wer willst du sein, wenn du dich verloren hast? Wo willst du hin, wenn der Weg nicht weiter führt? Was kannst du tun, wenn dein Leben aus mehr Fragen als Antworten besteht?

 

Wo kannst du hin, wenn dein Herz kein Zuhause mehr hat?

 

Nach dem qualvollen Ende einer zum Scheitern verurteilen Beziehung, nach Umsturz und Radau, nach Sturm und Drang, nach Resignation und Stillstand, bleibt einem oft nicht viel mehr als ein Anfang. Sei er nun gewollt oder erzwungen, sinnvoll oder die einzige Mögichkeit: manchmal ist ein Anfang alles was bleibt. Nicht etwa, weil alles geendet hat, sondern weil so viel geendet hat, dass alles was bleibt zu wenig ist. Manchmal ist ein bisschen Leben eben nicht genug. Manchmal ist es zu wenig Liebe, zu wenig Zuhause, zu wenig Selbst. Manchmal ist alles was bleibt plus minus Null. Und da keiner ins Minus will, müssen wir eben nach vor, in Richtung Plus. Einen Anfang wagen.

 

Was kann ein Anfang sein? Ein neues Zuhause, eine neue Bleibe, ein neues Umfeld, eine neue Stadt. Du kannst dir ein neues Leben schaffen, indem du ihm erstmal Raum gibst. Raum, nur für dich selbt. Für all deine tausend Sachen, für deine Wünsche, Träume und Vorstellungen. Raum für deine Gedanken, für deine Schmutzwäsche, für deine Handtücher und all die schönen Erinnerungen an ein längst vergangenens Leben. Finde dich selbst wieder in deiner Wandfarbe, in deinem Esstisch, in deiner Couch. Versuche eine Schneise zu schlagen, hindurch durchs Chaos des Lebens, durch Umsturz und Radau. Woher kommst du ist stets eine Frage, die wir zu beantworten wissen, aber wohin wir gehen wissen wir nur selten.

 

Manchmal können wir einen Anfang durch ein Datum definieren, durch ein bestimmtes Erlebnis, durch eine Erfahrung oder einen Moment der Klarheit. Manchmal ist ein Anfang aber auch ein Prozess, der sich über Tage, Wochen oder Monate hinzieht. Und irgendwie ist das auch völlig klar. Wenn wir einfach die Augen aufschlagen könnten und alles von Neuem beginnen, würden wir es wohl fast jeden Tag machen.

 

Ein Anfang, egal welcher Art er auch sein mag, ist doch stets etwas, das viel Mut erfordert. Es ist ein Akt der Hoffnung. Hoffnung, dass noch nicht alles verloren ist. Dass es eine Möglichkeit gibt zu heilen. Und das ist es. Ein Heilungsprozess. Im Krankenhaus versuchen wir zu heilen, um zum Urspungszustand zurückzukehren. Im Leben versuchen wir zu heilen um vorwärts zu kommen.

 

Und das ist der einzig vernünftige Ausweg, den wir haben. Wir müssen unsere Wunden versorgen, unsere zerbrochenen Herzen zusammenkehren und versuchen zu heilen. Wir müssen anfangen, egal womit. Sei es, dass wir uns endlich helfen lassen, dass wir unsere letzten Kräfte bündeln und in uns selbst stecken, dass wir verstehen lernen, dass Dinge nunmal passieren - egal ob wir sie verdient haben oder nicht. Wir müssen kapieren, dass jede Reise mit dem ersten Schritt anfängt - und dabei die Richtung ganz egal ist, Hauptsache sie zeigt nach vorn. Es geht ums Leben. Es geht um dich. Es geht darum, wie du es schaffst weiterzumachen, egal wie hart der Schicksalschlag auch gewesen sein mag.

 

Nimm den Anfang als Ausweg, wenn du einen brauchst. Lass dir helfen - egal von wem. Versuche zu heilen, auch wenn es sich anfühlt als würde nie wieder etwas gut werden. Du hast es verdient geliebt zu werden. Du hast es verdient glücklich zu sein. Ganz egal was jemand anderes dich glauben lassen will.

 

 

Heute vor einem Jahr habe ich das Zimmer 429 in der Psychiatrie bezogen. Manchmal vergeht nur ein Jahr und doch fühlt es sich an wie ein ganzes Leben.

 

Für alle, die mir geholfen haben zu heilen. Ich liebe euch sehr.