Neunundzwanzig.

Als wir noch klein waren, hatte die Zeit für uns keine Bedeutung. Es gab keinen Grund sie zu messen oder zu bewerten. Wir standen morgens auf, erlebten einen Tag und gingen abends schlafen. Dass wir älter wurden, merkten wir nur an der bunt verzierten Torte und den brennenden Kerzen darauf. Alter flößte uns unheimlichen Respekt ein. Es war unvorstellbar wie es sich jemals anfühlen würde achtzehn, zwanzig oder fünfundzwanzig zu sein, dreißig oder gar noch älter. Wer fünfundvierzig war stand beinahe schon mit einem Fuß im Grab, jeder Mensch über fünfzig war ein Fall fürs Altersheim. Es war ausgeschlossen, dass wir selbst jemals so alt sein könnten. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, dass wir uns jemals um mehr sorgen müssten als pünktlich zu Hause zu sein und unsere Hausaufgaben zu machen. 

 

Heute sehnen wir uns zurück in diese unbeschwerte Zeit, in der uns noch alles möglich schien. Wir konnten alles werden, waren froh und hoffnungsvoll. Niemand erzähle uns etwas von Steuererklärungen, Radarstrafen oder Erhöhung der Betriebskosten. Wir standen morgens auf und das Ziel war es glücklich zu sein.

 

Irgendwann passierte dann das Unvorstellbare: wir wurden tatsächlich älter. Wir bemerkten, dass unser Horizont zu schrumpfen schien, dass Geld ein doch nicht unwichtiger Teil des Lebens ist, dass Steuererklärungen, Radarstrafen und Betriebskosten dazugehören. Wir verliebten uns und bemerkten, dass Liebe viel zu oft auch Schmerz bedeutet, wir begannen die Lust am Abenteuer zu verlieren. Plötzlich war das Ziel nicht mehr glücklich sein, sondern irgendwie den Tag zu überleben.

 

Wir haben aufgehört daran zu glauben, dass uns das Leben alles bieten kann, was wir uns wünschen. Wir haben aufgehört zu glauben, dass die ganze Welt ein riesiger Spielplatz voll unendlicher Möglichkeiten ist. Wir haben uns entschieden zu überleben - und vergessen, dass das etwas völlig anderes ist als wahrhaftig zu leben.

 

 

Nun bin ich neunundzwanzig geworden. Das sind noch keine dreißig, keine vierzig oder fünfzig. Es sind aber auch keine achtzehn oder zwanzig mehr. Das Leben ist eine Herausforderung - jeden Tag. Es ist aber auch mehr als das.

 

Es ist lachend durch den Regen laufen, weil man keinen Regenschirm hat. Es ist der erste Schnee, der romantisch glitzert und funkelt. Es ist das Feierabend-Bier. Es ist das pochende Kopfweh nach einer durchtanzten Nacht. Es ist das ehrliche Gespräch mit deiner besten Freundin. Es ist der Geschmack von Zuckerwatte, der uns immer wieder fünf Jahre alt sein lässt. Es ist das entspannende Schaumbad, nach einer harten Arbeitswoche. Es ist im Pyjama den ganzen Tag auf der Couch verbringen. Es ist völlig besoffen dem Taxifahrer seine Lebensgeschichte erzählen. Es ist sich fünfmal für ein Date umziehen und sich schlussendlich mit rotem Lippenstift einsauen. Es schmeckt nach Vodkamelone. Es riecht nach einem lauen Sommerabend. Es ist die pure Frustration, panische Verzweiflung.

Es ist furchtbar kompliziert, zermürbend, niederschmetternd.

Es ist einsam, sehnsüchtig.

Aber vorallem ist es so wahnsinnig schön, dass man kaum noch Luft bekommt, wenn man darüber nachdenkt. Wir haben die Chance zu leben. Wir haben die Möglichkeit glücklich zu sein. Abenteuer zu erleben. Erinnerungen zu schaffen. Hürden zu überwinden. Über uns hinauszuwachsen. Zu lernen. Besser zu werden - jeden Tag.

 

 

Glücklich sein ist eine Entscheidung, die wir jeden Tag auf neue treffen. Und ich habe noch immer vor es jeden Tag zu tun.

Neunundzwanzig klingt viel, wenn man sieben ist. Aber es klingt gerade erst wie ein Anfang, wenn man nunja... neunundzwanzig ist.

Der einzige Mensch, der deinen Horizont verkleinern kann bist du selbst. Nur du kannst dir selbst einreden, dass du nicht alles erreichen kannst was du willst. Und nur du selbst bist verantwortlich dafür deinen Glauben ans Leben aufrecht zu erhalten. Hoffnung, Abenteuer, Liebe, Glück - es sind Dinge, für die du dich entscheidest.

Sei kein Idiot. Tu es einfach.

 

 

 

Vielen Dank an alle, die mir täglich helfen es zu tun. Die mir Inspiration, Motivation und Wegweiser sind. Auf die ich immer zählen kann und die mir immer im richtigen Moment beweisen, dass es nur einen Weg gibt: nach vorne. Neunundzwanzig war eine höllische Fahrt - sehen wir zu, dass es so weitergeht :-)

 

Ich liebe euch sehr <3

 

Für alle, die sich angesprochen fühlen.