Genug.

Wann ist genug genug?

Wann hat man genug getrauert, vermisst, bereut?

Wann hat man genug darüber nachgedacht, genug geändert, genug getan?

Wie stellt man seine Uhr auf "genug"? An welchem Tag wird es sein? In welchem Jahr?

 

Ist es wirklich jemals genug? Genug schlechte Nachrichten, genug Katastrophen, genug Glück, genug Liebe, genug Leben? Hast du jemals genug Tränen vergossen, genug gelacht, genug gehofft oder getrauert?

 

In Wirklichkeit ist es niemals genug. Zumindest so lange nicht, bis wir sterben. Es wird immer weiter gehen, es wird immer schlechte Nachrichten geben, Krankheiten, Hindernisse, es wird niemals genug sein. Du wirst immer vermissen, bereuen, wirst Sehnsucht haben nach früher. Und es wird niemals genug Zeit vergehen. Wie lange hat es gedauert dein gebrochenes Herz zusammenzusetzen? Hattest du je genug Zeit?

Wer bin ich und wo will ich hin - zwei Fragen, auf die wir nie eine ausreichende Antwort finden werden. Zwischendurch wissen wir es, für einen Augenblick. Doch kaum hast du geblinzelt, ist der Moment vergangen. Und es war einfach nicht genug, um dir sicher zu sein. Wir sind uns selbst niemals genug. Und genau deshalb ständig auf der Suche.

 

Keiner kann uns sagen wann genug wirklich genug ist. Es gibt kein physikalisches Gesetz, keine Uhrzeit, keine Jahreszeit. Das Leben passiert. Und selbst wenn wir zehnmal denken wir hätten genug durchgemacht für die nächsten hundert Jahre, so werden wir eines besseren belehrt werden. Dinge werden passieren, die sich völlig unserer Kontrolle entziehen. Und wir können stets nur hoffen, dass es besser wird. Dass es vorbei geht. Aber es wird niemals genug sein.

 

Wann warst du genug einsam? Wann hast du genug gesehen? Wann hast du genug gelitten?

Wie können wir ein Leben führen, das niemals genug sein wird? Und es ist so einfach wie grausam: Wir müssen versuchen genug zu sein. Abzuschließen, nach vorn zu blicken. Wir müssen uns ständig mit dem Gedanken vorantreiben, dass es schon irgendwann genug ist, obwohl wir stets ahnen, dass es niemals so sein wird. Das Leben ist so beständig, wie es sich ständig ändert. Und wir sind so zerbrechlich wie stark. Und genug wird niemals genug sein. Das einzige, das wir tun können, ist zuversichtlich sein. Hoffnungsvoll. Wir können darauf vertrauen, dass nicht nur die schlimmen Dinge im Leben sich stetig vermehren, sondern auch die guten. Wir werden niemals genug Glück haben, genug Liebe oder Zufriedenheit. Aber zumindest so viel, dass wir merken, dass es nicht genug ist.

Und irgendwie.. ist das genug Trost. Wenn man bedenkt, was die Alternative ist.

 

How did I end up here

closer to nowhere

in the middle of nothing

and I'm one step back

from where I was

Das wird schon wieder.

Es passieren ständig furchtbare Dinge. Eigentlich ist unser Leben geprägt von schlechten Nachrichten, egal ob sie uns nun persönlich betreffen oder die politische oder wirtschaftliche Situation. Wir finden uns ständig in schier auswegslosen Situationen wieder, völlig machtlos, überfordert. Wie zum Teufel sollen wir das ertragen?

 

Eigentlich grenzt es fast an ein Wunder, dass wir nicht wahnsinnig werden bei all dem Schwachsinn, den wir täglich mitmachen müssen. Du wirst verlassen, verschmäht, ignoriert, du verlierst und versagst. Und trotzdem machst du weiter. Du versuchst irgendwo anzukommen. Einfach nur, weil der Weg zu beschwerlich war, um nicht irgendwo zu enden. Irre. Das ist völlig irre.

 

Und ständig gibt es jemanden, der in ausgezeichneter Cheerleader-Manier am Wegesrand steht und dir unermüdlich zuschreit: Das wird schon wieder!

 

Ehrlich? Das wird schon wieder? Wie oft im Leben kann man einen Satz hören, bis er absolut keine Bedeutung mehr hat?

Jemand Nahestehendes ist gestorben.  - Das wird schon wieder.

Mein Freund hat mich verlassen. - Das wird schon wieder.

Meine ganze Welt ist zerbrochen. - Das wird schon wieder.

Ich weiß nicht mehr weiter. - Das wird schon wieder.

Jemand ist ernsthaft krank. - Das wird schon wieder.

 

Wann ist es endlich genug mit Das wird schon wieder? Wann gibt es endlich mal nichts mehr, das schon wieder wird? Und glauben die Cheerleader am Wegesrand wirklich, dass Das wird schon wieder alles gut werden lässt? Oder auch nur irgendwas bringt? Ich hab genug von Das wird schon wieder.

 

Manchmal brauchen wir kein Das wird schon wieder, keine tröstenden Schulterklopfer oder Taschentuchreicher, keine Dackelaugenmacher oder aufmunternde Lächler - manchmal braucht man jemanden, der mit einer Flasche Tequila und einem Kilo Zitronen vor der Haustür steht und sagt: Dein Leben ist scheiße. Lass uns trinken.

 

Denn das ist es. Das ist die reine Wahrheit, die sich keiner aussprechen traut. Das Leben ist scheiße. Es passieren unfaire Dinge und man kann rein gar nichs dagegen machen als es zu akzeptieren. Guten Menschen passieren schlechte Sachen, gesunde Menschen werden plötzlich ohne Vorwarnung krank und jene, die einfach nur versuchen alles richtig zu machen, kriegen ständig eins auf die Fresse. Das Leben ist scheiße. Und kein einziges Das wird schon wieder kann daran etwas ändern. Klar, Tequila kann auch nichts daran ändern. Das Leben ist eine Schlampe, die man sich nicht schön saufen kann. Aber es ist wenigstens ehrlich. Es ist kein falsches Lächeln und aufmunterndes Kopfnicken. Es ist keine verzweifelte Motivation eine Aufgabe zu meistern, die wir so oder so hinter uns bringen müssen, egal ob wir wollen oder nicht. Es ist einfach nur Alkohol und Zitronensäure. So klar, wie die Luft nach einem langen Regen. So still, wie die See nach einem tosenden Sturm. Es wird den Liebeskummer nicht wegspülen, die Sehnsucht nicht im Sand begraben, die Krankheit nicht in den Wellen wegschäumen. Aber zumindest widerspricht er dir nicht, wenn du einfach mal offen sagen willst: Mein Leben ist unfair und scheiße.

 

Manchmal brauchen wir das. Manchmal ist einfach genug mit Hoffnung und Zuversicht und dem ewigen Traum vom Glück. Manchmal brauchen wir einfach Tequila und Zitronen und die klare Wahrheit, dass wir auch mal resignieren dürfen. Zumindest eine Flasche Tequila lang. Danach kann es ja wieder weitergehen mit Das wird schon wieder. Aber erst, wenn der Frust ersäuft ist. Wenn die Aggression zusammen mit Tequila und Zitronen irgendwo verschwunden ist. Wenn man sich zumindest einmal eingestanden hat, dass kein Mensch auf der Welt all das ertragen kann, ohne auch mal die Nerven wegschmeißen zu dürfen.

 

Wenn das Leben dir Zitronen schenkt... besauf dich mit Tequila und heule, bis er dir aus den Augen rauskommt. Limonade daraus machen kannst du danach immer noch.

Schutt und Asche

Hast du schonmal überlegt, was von deinem Leben übrig bleiben wird? Wofür du kämpfst? Was du der Welt hinterlassen wirst?

 

Es gibt Momente, da ist es uns völlig klar. Wir kämpfen für Glück, für Liebe, für Hoffnung. Wir wollen so sehr, dass irgendetwas in unserem Leben Bedeutung hat, dass wir nie darüber nachdenken wie es wäre den Kampf zu verlieren. Wir schlagen uns durch den Dschungel des Alltags, schlängeln uns aus den Lianen der Befangenheit und des Stillstands. Wir möchten Erinnerungen hinterlassen. Möchten unvergessen bleiben. Wir denken, dass wir etwas zurücklassen können - einfach nur, weil wir so sehr dafür kämpfen. Wir weigern uns zu akzeptieren, dass irgendwann nur Schutt und Asche übrig bleiben werden.

 

Aber manchmal... da fühlt es sich einfach nur nach Schutt und Asche an. Egal wofür wir kämpfen, alles wird einstürzen. Egal wie stabil sich die Mauern unseres Lebensraumes anfühlen, sie können einbrechen. Völlig egal wie sicher wir uns fühlen - wir sind es niemals. Nein, das Leben besteht nicht nur aus Glück und Hoffnung. Im Gegenteil. Eigentlich ist es einfach nur eine ewig andauernde Prüfung. Nimm das Glück an, wenn du es findest. Aber fordere es niemals heraus. Versuch die Herausforderungen als Chancen zu sehen. Um Gottes Willen, versuch es. Es wird nicht funktionieren. Aber du wirst einen Grund brauchen morgens aufzustehen. Und manchmal wird es keinen anderen geben, als die Tatsache, dass du beschlossen hast das Leben als Chance zu sehen.

 

Es ist eine Chance sich zu entwickeln. Zu lernen. Es ist eine Chance zumindest irgendetwas aufzubauen, das danach in Schutt und Asche liegen kann.

 

Natürlich wirst du verlieren. Immer gerade dann, wenn du denkst alles ist gut. Deshalb darfst du nie vergessen, dass alles gut WIRD. Weil es anscheinend niemals gut sein kann. Gib nicht auf. Versuch es. Egal ob es am Ende nur in Schutt und Asche liegen wird - versuch für etwas zu kämpfen.

 

 

Liebes Leben.

Ich hasse dich. Du bist nicht fair. Und du bist nicht gut. Und am liebsten würde ich dich in Schutt und Asche sehen. Es sind zu viele Prüfungen. Und zu viele Kämpfe. Und ich bin so schrecklich müde. Und manchmal schlage ich morgens die Augen auf und frage mich, wann es denn endlich vorbei ist.

Aber ich kämpfe. Ich werde mehr hinterlassen als Schutt und Asche. Und irgendwo auf dieser Welt gibt es etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich werde der Welt den Glauben hinterlassen, dass alles wieder gut wird. Weil es das einzige ist, wofür ich noch kämpfen kann. Der Gedanke, dass alles gut wird. Irgendwann. Und irgendwie. Dass all die Menschen, die es verdient haben, ihre gerechte Strafe bekommen. Dass man Krankheiten besiegen kann, dass Liebeskummer heilen kann. Ich möchte an so vieles glauben. Und ich möchte daran glauben, dass mein Leben nicht in Schutt und Asche liegt. Dass ich etwas geschaffen habe. Irgendwas. Dass die Sorgen von gestern nicht mehr die Wolken von heute sind. Ich möchte daran glauben, dass es weitergeht. Dass alles gut wird. Dass der Kampf irgendwann vorbei ist. Dass es irgendwann auch ohne Kampf geht. Dass es irgendwann schon werden wird. Dass ich irgendwann die Augen aufschlage und das Leben nicht mehr hasse.

 

 

 

 

Wo fängt der Himmel an? Kann man ihn noch sehen, hinter diesem riesigen Berg von Schutt und Asche?

Applaus, Applaus

 

 

Wenn man die Augen zumacht

klingt der Regen wie Applaus.

 

Positives Denken kann ja bekanntlich Berge versetzen. Das ist schön - so fern man weiß, wo die Berge hin sollen. Nicht immer schafft es unsere Alles-wird-gut-Attitüde und unser Die-Hoffnung-stirbt-zuletzt-Glaube uns unverwundet durch den Tag zu geleiten. Manchmal ist positives Denken der ekelhafte Würgreiz in unserem Hals, den wir einfach unterdrücken müssen, um nicht alles auszukotzen woran wir glauben.

 

Und doch versuchen wir es. Wir versuchen das Beste daraus zu machen, das Gute darin zu sehen. Wir versuchen die Hoffnung zuletzt sterben zu lassen - einfach nur weil wir es müssen. Wir klammern uns an jeden Strohhalm und an jeden kleinen Hoffnungsschimmer, den wir finden. Weil der Glaube daran, dass alles gut wird das ist, was uns weitermachen lässt. Wir nehmen Rückschläge in Kauf, zerbrechen und fallen - weil wir insgeheim immer wissen, dass es irgendwie weitergehen wird. Weil es weitergehen muss. Weil Probleme oftmals nur Lösungen in Arbeitskleidung sind.

 

Es ist schon seltsam, das Leben.

Manchmal ist man so verzweifelt, dass man nicht mehr weiter weiß. Dass einem nichts mehr helfen kann, weil alles verloren scheint. Und im nächsten Moment schafft man es irgendwie daran zu glauben, dass alles wieder gut wird. Weil alles gut werden muss. Weil der Regen wie Applaus klingt, wenn man die Augen zumacht.

 

Wir versuchen es. Wir versuchen zu leben. Weiterzumachen. Wir versuchen das Beste daraus zu machen und das Gute darin zu sehen. Zumindest meistens. Und in der restlichen Zeit? Wir könnten die Augen zumachen, dann klingt der Regen wie Applaus.