Goodbye, my old friend.

Wir denken immer wir wären besonders schlau und erfahren, wenn wir Dinge sagen wie: "Ich habe daraus gelernt", oder "die Vergangenheit ist vorbei und man kann sie nicht ändern", oder "alles was passiert ist, hat mir geholfen der Mensch  zu werden, der ich heute bin."

Ja, wir sind dann ganz reflektiert und furchtbar erwachsen und fühlen uns stark und unbesiegbar. Wir haben das Schlimmste überwunden, sind daran gewachsen und haben aus den Erfahrungen etwas gemacht. Wir sind auf unsere ganz eigene Art schrecklich "weise" und denken wirklich, dass uns so schnell nichts mehr aus der Bahn werfen kann - wir haben ja daraus gelernt!

 

Nun, die Wahrheit ist: sobald die Vergangenheit einen Fuß in die Tür stellt, lassen wir sie auch herein. Vielleicht ist es die stille Sehnsucht, vielleicht ist es der ewig währende Gedanke, dass alles wieder gut werden kann - wir lassen sie herein und versuchen tatsächlich ein anderes Ende für die doch immer gleiche Geschichte zu schreiben. Wir versuchen trotz all unserem Wissen und unserer Weisheit, entgegen aller Erfahrungen und Lernprozessen etwas daraus zu machen. Mehr daraus zu machen. Wir wollen besser sein, anders. Uns selbst im Angesicht der Vergangenheit beweisen, dass wir gewachsen sind. Nur um am Ende wieder zu scheitern. Erneut das selbe durchmachen, erneut das selbe lernen.

 

Ich mache uns keinen Vorwurf. So sind wir eben. Wir wollen ein Happy End. Wir wollen, dass alles gut wird. Wir wünschen uns Vollständigkeit, abgeschlossene Dinge. Wir möchten wohlwollend und zufrieden auf unser Leben zurückblicken, nicht auf Rückschläge und unerledigte Dinge. Und ganz genau dieser Drang beschert es uns immer wieder: Leid. Wir leiden, weil es wieder komplett in die Binsen gegangen ist, weil wir wieder an einem Punkt angekommen sind, an den wir nie wieder zurück wollten. Wir fühlen uns schäbig. Ungewollt. Als wären wir es nicht wert. Das macht die Vergangenheit mit uns. Sie zeigt uns immer wieder unsere eigenen Fehler und Schwächen auf - egal ob wir denken wir hätten diese überwunden.

 

Es ist eine Tatsache. Egal wie sehr es weh tut, wie einsam es sich anfühlt, wie unvollständig es uns macht, wir müssen die Vergangenheit vergangen sein lassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie uns einholt und versucht unser Jetzt zu ändern. Es geht vielleicht darum an der Unvollständigkeit zu wachsen. Der Sehnsucht zu widerstehen. Nicht den alten Zeiten nachtrauern, sondern den neuen Zeiten eine Chance geben. Es geht darum wirklich zu akzeptieren, dass man Vergangenes nicht ändern kann - nicht nur so zu tun als ob. Wir müssen der Zukunft eine Chance geben, die Vergangenheit hatte ihre schon.

 

Jawohl. Es gibt schon einen Grund, wieso manche Dinge in der Vergangenheit liegen. Gäbe es keinen, wären sie nicht vergangen. Manchmal ist das Leben gar nicht so kompliziert. Manchmal geht es einfach darum weiter zu machen und nicht zurück zu blicken. Manchmal geht es darum sich zu verabschieden und anzuerkennen, dass auch Unvollständigkeit zu einem vollständigen Leben gehört. Wer weiß, was wir alles verpassen können, wenn unser Blick nur stets nach hinten gerichtet ist.

 

Herzlich Willkommen.

Bist du jemals aufgewacht, völlig zerstört und orientierungslos und hattest keine Ahnung wo du bist oder wie du hier her gekommen bist? Hattest rasende Kopfschmerzen und dieses Gefühl, als ob du irgendwie verloren wärst?

Nun, herzlich willkommen im Leben.

 

Manchmal läuft es so. Manchmal führen all unsere wohl überlegten Entscheidungen, unsere gut ausgesuchten Worte, unsere reflektieren Gefühle, unser wertvoller Erfahrungsschatz genau dort hin: ins Nirgendwo. Wir finden uns wieder in Situationen, die völlig unmöglich erscheinen. In Gefühlswelten, die wir niemals freiwillig betreten wollten. In einem Teufelskreislauf, der ständig an den Rande des Wahnsinns führt. Wir sind Menschen. Wir machen Fehler. Wir betreten täglich unerforschtes Terrain. Niemand hat uns erklärt wie das Leben funktioniert, also stellen wir unsere eigenen Regeln auf, nur um zu lernen, dass wir keine Macht über das Schicksal und den Zufall haben. Dass das Leben größer ist als unsere Vernunft, als unsere Vorstellungskraft, als wir. Wir lernen. Egal, ob es nun um die Grundsätze des Vertrauens geht, ob wir begreifen, dass wir die Liebe niemals verstehen werden oder dass Familie kein endgültiger, vorgeschriebener Begriff ist. Manchmal scheint es fast, als wäre unser Leben aus Teflon, und all unsere Erfahrungen und Erkenntnisse würden einfach nicht daran haften bleiben.

 

Wir halten uns an die Richtlinien. Das Mayonnaise-Prinzip, das Gesetz der Kohäsion, die Physik der Suche (*), an die unsterbliche Hoffnung, dass alles gut wird. Wir glauben ans Leben, daran, dass es uns dort hinbringen wird, wo wir hingehören. Wir glauben daran, dass es uns nur so viel Schmerz ertragen lässt, wie wir aushalten können. Wir sind sicher, dass es etwas Besonderes für uns bereithalten wird. Und doch wachen wir am Ende auf, völlig zerstört und orientierungslos und haben keine Ahnung wo wir sind oder wie wir hier her gekommen sind.

 

Das ist es worum es geht. Die Orientierung zu verlieren, um sich dadurch neue Wege zu erschließen. Der Verzweiflung wegen neue Richtungen einzuschlagen. Sich zu verlieren, um etwas zu finden. Zu entdecken, dass wir etwas vermissen, von dem wir gar nicht wussten, dass wir es verloren hatten. Entscheidungen zu treffen. Mögen es falsche oder richtige sein, egal. Wir können uns darüber freuen oder daraus lernen. Es geht darum unser Leben in die Hand zu nehmen und niemand anderen dafür verantwortlich zu machen als uns selbst. Es geht darum jeden Tag die Chance zu haben das Beste daraus zu machen.

Wir zaudern viel zu oft. Wir zerdenken unsere Möglichkeiten, spielen alles von A bis Z durch - mit dem Ergebnis, dass sowieso alles anders geworden ist. Wir machen uns zu viele Sorgen, was wohl passieren mag. Wir haben ständig das Gefühl alles beherrschen zu wollen, nur um die Erfahrung zu machen, dass wir es doch niemals können.

 

Bist du aufgewacht, völlig zerstört und orientierungslos und hast keine Ahnung wo du bist oder wie du hier her gekommen bist? Hast du rasende Kopfschmerzen und dieses Gefühl, als ob du irgendwie verloren wärst? Gratuliere, du lebst. Spül deine Sorgen mit Salz und Tequila hinunter, zieh deine Schuhe an und tanze im Regen. Die Wahrheit ist nämlich: in den meisten Fällen müssen wir gar keine Orientierung haben, um unseren Weg zu finden. In den meisten Fällen schlagen wir uns einen Pfad durch den Dschungel aus Ungewissheit und Zweifel, wir lernen, erfahren, erleben - und nennen das dann unseren Weg. Und es ist schon ganz richtig so. Sich manchmal verloren zu fühlen. Orientierungslos, ahnungslos und zerstört. Wie würden wir sonst jemals begreifen, wann sich etwas richtig anfühlt? Wie könnten wir sonst jemals spüren, dass wir leben, dass wir uns verändern und weitermachen.

Es gehört dazu manchmal ein wenig orientierungslos und zerstört zu sein und nicht zu wissen wo man ist und wie man dorthin gekommen ist. Ein Leben in Balance bedeutet auch, manchmal die Balance zu verlieren.

 

 

 

 

 

 

 

(*) Das erste physikalische Gesetz der Suche lautet ungefähr so: Wer mutig genug ist, alles Vertraute und Wohltuende hinter sich zu lassen, egal was, vom Haus bis zu alten Verletzungen und sich auf die Suche nach der Wahrheit macht, sei es nach innen gewandt oder nach außen, und wer wahrhaft gewillt ist alles, was ihm auf dieser Reise passiert als Schlüssel zu betrachten und jeden, der ihm unterwegs begegnet als Lehrer zu akzeptieren und vor allem, wer dazu bereit ist, sich unangenehmen Realitäten, die einen selbst betreffen zu stellen und diese zu verzeihen, dem wird sich die Wahrheit offenbaren. (eat pray love)

 

Das Mayonnaise-Prinzip

Es tut sich viel. Dauernd. Wir rennen durchs Leben, völlig überwältigt von seiner Komplexität, von seiner Geschwindigkeit. Wir treffen Entscheidungen und leiden darunter - oder freuen uns. Wir werden verletzt, sind wahnsinnig glücklich, fallen mit rudernden Armen ins Leere und denken manchmal wir könnten fliegen, angetrieben von reiner Glückseeligkeit. Und das abwechselnd, völlig ungeplant und unerwartet. Wir tun es. Leben. Obwohl wir es nicht immer verstehen, meistens keinen Sinn darin finden und komplett den Faden oder die Orientierung verlieren: wir tun es.

 

Das mit dem Leben ist so eine Sache. Man kann es sich eigentlich nicht aussuchen ob man es will oder nicht. Man wird geboren und ist da. Und alles beginnt sich zu verändern. In etwa 99% der Fälle haben wir nicht in der Hand was passieren wird, wo es uns hinträgt oder wie wir unseren Tag verbringen werden. An manchen Morgen stehen wir auf, voller Hoffnung und Zuversicht und abends weinen wir uns leise in den Schlaf, weil das Leben nunmal das ist, was passiert während man andere Pläne macht.

 

Es scheint verrückt zu sein. Völliger Schwachsinn. Wir überstehen den schlimmsten Schmerz, die tödlichste Krankheit, die dunkelste Phase. Wir verlieren alles woran wir glauben und machen doch weiter. Weil es das Leben ist. Weil es dazugehört zu leiden. Weil Schmerz uns wachsen lässt. Weil nur dunkle Erfahrungen uns erkennen lassen wo das Licht ist. Also tun wir es. Ohne Widerrede, ohne Zweifel. Wir versuchen unser Bestes zu geben, Hindernisse als Chancen zu sehen, Brücken über reißende Flüsse der Verzweiflung zu bauen. Und während wir all das Tag für Tag meistern, ist es uns manchmal gar nicht klar:

 

Es gibt im Leben ein Mayonnaise-Prinzip.

Nun, dieses Prinzip lautet in etwa so: wer nicht gewillt ist den vollen Geschmack, die komplette Erfahrung, die ganze Sünde zu erleben, der sollte es wohl lieber bleiben lassen. Wenn du Mayonnaise essen willst, die weder lebensnotwendig noch wichtig ist, wieso solltest du nicht den vollen Geschmack wollen? Ist es genau so befriedigend sich mit 25% abspeisen zu lassen, wohl wissend, dass auch das nicht gesund ist? Wenn wir also sündigen wollen, wieso dann nicht in vollem Ausmaß? Wenn wir unserem Leben Würze geben wollen, wieso nicht so viel wir kriegen können?

Welchen Sinn hat es, sich für weniger als alles zu entscheiden?

 

Es geht um die Entscheidung. Die Entscheidung so viel wie möglich zu wollen. Das meiste herausholen. Das Leben spüren - bis ins Knochenmark. Sich selbst spüren. Jede einzelne Faser des Herzens. Jeden einzelnen Nadelstich des Schmerzes, jeden Tropfen, der das Meer aus Tränen füllt, jeden Atemzug des Abenteuers. Wir sollten uns für die volle Ladung entscheiden, den vollen Geschmack, das komplette Erlebnis. Egal was wir tun. Liebe, Freundschaft, Glück  - so viel wir kriegen können! Wir haben keine Zeit für ein bisschen Liebe oder ein wenig Spaß. Keine Zeit für halbe Sachen und Feigheit.

 

Hol es dir. Alles. So viel wie nur möglich. So viel Liebe, Freundschaft, Glück und Spaß wie möglich. Sei gefasst auf die volle Ladung Schmerz und Kummer und dass du daran wachsen wirst so viel es geht. Wir können nicht lernen, wenn wir nur die Hälfte verstehen. Wir können nicht lieben, wenn wir nicht mit vollem Herzen dabei sind.

 

Dass mein Herz schlägt, dass ich atme, mein Kreislauf funktioniert, mein Herz Blut durch meinen Körper pumpt, dass  in jeder Sekunde etwa 1 Billion Synapsen Impulse mit über 700 km/h durch mein Gehirn feuern, ist wohl ein Wunder und sichert mein Überleben, aber leben ist mehr als überleben. Es geht um Nähe, um Liebe, Freundschaft, Hoffnung, Glück. Es geht um Familie, Vertrauen, sich weiterzuentwickeln. Um Leid, Schmerz, Verzweiflung, Sehnsucht. Und solange mein Herz, mein Kreislauf und mein Hirn ihren Job machen, ist mein Job so viel von dem Rest zu nehmen wie ich kriegen kann.

 

Keine halben Sachen. Keine halbfette Mayonnaise. Ich entscheide mich für den vollen Geschmack.

 

Das sind die Grundfeste, nach denen wir leben sollten. Alles wird gut. Nicht fast alles wird ein bisschen gut. Ich liebe dich. Nicht ich liebe dich vielleicht ein wenig. Ich bin glücklich. Ich freue mich. Ich will das. Ich entscheide mich. Ich bin mir sicher. Ich bereue nichts. Ja. Nein. Ja. Ja. Ja.

Ja zum Leben. Ja zum Mayonnaise-Prinzip. Ja zum vollen Geschmack - von egal was.

 

Die Hoffnung ist ein mieser Verräter.

Es mag uns alle erschrecken und furchtbar schockieren, aber eines haben wir alle gemeinsam, egal wie verschieden wir sind: wir hoffen. Es ist uns so angeboren wie atmen und fühlen. Wir hoffen. Wir hoffen auf bessere Zeiten, dass alles wieder gut wird. Wir hoffen auf ein gutes Ende, auf schöneres Wetter, auf Veränderung. Wir hoffen. Bei jedem Atemzug hoffen wir, dass es nicht der letzte sein mag, wir hoffen, dass es ein Morgen gibt, dass unsere Fehler nicht das Ende bedeuten. Wir hoffen eines Tages die wahre Liebe zu finden, wir hoffen eines Tages jemandem etwas zu bedeuten. Wir hoffen Spuren zu hinterlassen, etwas, woran sich jemand erinnert. Ganz egal was, wir hoffen. Ständig.

Und plötzlich passiert das Leben und Dinge, die wir erhofften, stellten sich als kompletter Reinfall heraus. Wir hofften auf Liebe und als wir sie bekamen, blieb nichts als Schmerz zurück. Wir hofften auf einen neuen Morgen und alles was wir bekamen war Regen. Wir hofften darauf, dass alles wieder gut wird und sahen, dass sich manche Dinge so sehr verändern können, dass sie nie wieder gut werden konnten - nur anders.

 

Das ist das Leben. Es ist egal was wir hoffen oder woran wir glauben, manchmal passieren die Dinge genau so, wie sie nunmal sollen. Es geht darum sich auf nichts zu verlassen. Sich nicht hinreissen zu lassen. Wir verfolgen unseren Weg. Natürlich steht es uns frei zu hoffen. Auf bessere Zeiten, auf Sonnenschein, darauf, dass alles wieder gut wird. Aber in Wirklichkeit gestalten wir unsere Zukunft selbst. Wir wollen bessere Zeiten, also arbeiten wir hart daran sie zu erreichen. Wir wollen Sonnenschein, also packen wir gute Laune und einen Regenschirm ein. Wir möchten dass alles wieder gut wird, also akzeptieren wir die Tatsache, dass die Vergangenheit vergangen ist, dass Gefühle genau so verglühen können wie Sternschnuppen und dass alles was wir bekommen können etwas ist, dass vielleicht gut ist, aber nie wieder so wie früher.

 

Hoffnung ist etwas wahnsinnig Schönes. Zu hoffen sagt, dass man bereitwillig in eine Zukunft blicken möchte. Dass man willens ist voran zu schreiten. Zu hoffen heißt, an etwas zu glauben. An eine Zukunft, an ein Morgen, an etwas, dass uns mitreißen kann, an Liebe, Abenteuer und an ein Leben, dass jeden Tag immer wieder vor uns liegt. Es obliegt uns selbst nicht an der Hoffnung zu ertrinken und stets zu vergessen, dass die Hoffnung allein uns niemals dorthin bringen kann, wo wir hinwollen.

Was das betrifft, ist die Hoffnung ein mieser Verräter. Ohne ein wenig Zufall, Schicksal, Mut, Lebenswillen, Glück und harter Arbeit bringt sie uns doch immer nur zum Verzweifeln und niemals weiter. Ständig nur zu hoffen und nichts zu tun ist niemals Sinn der Sache gewesen. Es geht darum alles zu tun, was man kann, alles zu geben, alles zu leisten und dann zu hoffen, dass es das wert war. Die Hoffnung hilft uns leben. Aber niemand hat je behauptet, sie wäre das Leben. Es ist ein wenig wie in dem italienischen Witz:

 

Ein armer Mann betet jeden Tag die Statue eines italienischen Heiligen an und fleht: 'Lieber Heiliger, bitte bitte bitte, mach, dass ich in der Lotterie gewinne.
Irgendwann wird die verärgerte Statue lebendig, blickt auf den flehenden Mann herab und sagt:

'Mein Sohn, bitte bitte bitte, kauf dir ein Los!