Mein Glücksprojekt.

Wenn ich die Augen schließe sehe ich eine großartige Frau. Sie ist mutig und stark. Unsicherheit ist für sie ein Fremdwort. Sie weiß was sie will und lässt sich nicht beirren. Sie ist ehrgeizig und motiviert, sie ist frei von Zweifeln und Angst. Sie hat viel durchgemacht - und gerade das hat ihr geholfen ein besserer Mensch zu werden. Sie nimmt Herausforderungen als Ansporn und Veränderungen als Wegweiser. Sie ist glücklich. Sie ist ich. Oder zumindest das, was ich gerne sein würde.

 

Manchmal spinnen wir uns ein fast unmögliches Bild von uns selbst zusammen und verzehren uns danach. Wir möchten so vieles sein und haben das Gefühl wir sind nur so wenig. Wir sind niemals zufrieden, sind niemals glücklich. Und manchmal haben wir das Gefühl, wir hätten es nicht verdient, dass unsere Träume Wirklichkeit werden können.

Wir geben uns mit dem zufrieden was wir haben und beschließen, dass es genug ist sich dafür zu entscheiden glücklich zu sein. Haben wir je darüber nachgedacht, dass das nicht das Ende des Weges sein kann? Sich dafür zu entscheiden?

Wer gewillt ist Veränderung als Teil seines Lebens zu akzeptieren, sie wohlwollend willkommen zu heißen, der sollte auch fähig sein diese zu forcieren, herauszufordern. Es geht nicht immer darum sich dem Leben zu fügen oder es zu nehmen wie es kommt - wir selbst haben auch ein Wörtchen mitzureden. Die Suche sollte dort enden, wo das Glück beginnt. Wo auch immer es sein wird werden wir sehen, wenn wir dort sind. Und wie viele neue Fragen es aufwirft und wie viele neue Wege es öffnet wird sich zeigen. Es geht darum glücklich zu sein. Jeder auf seine Weise.

 

Alexandra Reinwarth hat in ihrem Buch Das "Sinn des Lebens" - Projekt alles Mögliche probiert, um Glückseeligkeit zu erlangen. Schamanen, Engel, Kirche, Schweigen... um an Ende festzustellen: Das Leben ist. Wer weiß, ob es mehr zu entdecken gibt. Ob andere Zugangsweisen andere Erkenntnisse ergeben - aber Fakt ist: jeder sollte sein eigenes Glückprojekt starten. Es kann schreiend komisch sein, total aggressiv machen, einen verzweifeln lassen - ganz egal. Der Weg zum Glück führt nicht immer über Erleuchtung und Weißheit, Spiritualität und Glaube. Jeder findet seinen eigenen Weg, seine eigene Methode.

 

Was das zu bedeuten hat? Nun, manchmal ist das Leben seltsam. Man stolpert über Dinge, die man niemals gesucht hat oder finden wollte, bekommt Fragen gestellt, die man immer gefürchtet hat. Und plötzlich ist es völlig klar: es ist soweit. Wir müssen uns den Dingen stellen, die wir so lange vor uns hergeschoben haben. Müssen Antworten auf Fragen finden, die wir stets ignoriert haben. Das Ziel lautet: glücklich sein. Es geht darum herauszufinden, was Glück für einen bedeutet, was dazu gehört und wie man es vielleicht werden kann. Trial and error.

 

 

Vor etwa sieben Jahren saß ich auf einem Park & Ride Parkplatz am Rand eines riesigen, grünen Feldes auf meiner Motorhaube, hab ein wenig die Seele baumeln lassen, in die Ferne geblickt und darüber nachgedacht, was zum Teufel das alles bloß für einen Sinn ergeben könnte. Ich war total in Gedanken versunken, als mich plötzlich eine Stimme neben mir aufschrecken ließ. Ein Mann grinste mich an als ich zusammenzuckte und fragte:

"Worauf wartest du?"

Ich antwortete wahrheitsgemäß: "Darauf, dass etwas passiert."

Er schaute mich verwirrt an und fragte: "Aha. Und was soll passieren?"

Ich hab ihn angeschaut, mit den Schultern gezuckt und gesagt: "Keine Ahnung. Irgendwas."

 

Nun...

Ich warte noch heute. Und es ist jetzt genug. Ich habe keine Zeit mehr zum Warten. Es hat vielleicht viel zu viele Weinflaschen, viel zu viele Tränen, viel zu viele Abschiede und den Verlust viel zu vieler guter Menschen gekostet aber jetzt ist es soweit. Es muss etwas passieren. In 222 Tagen erwarte ich grenzenlos glücklich meinen 30. Geburtstag zu feiern. Hat es dann ja auch immerhin auch 30 Jahre gedauert glücklich zu werden.

 

Ich starte mein Glücksprojekt. Wollen wir es "Leben" nennen. Hier ist meine Startlinie. Die Welt wird mein Spielfeld sein. Die Spieldauer wird 222 Tage betragen. Es muss etwas passieren. Jetzt.

 

 

 

 

Tag 0

Ich widme diesen Tag mir selbst.

Weil ich hoffentlich in 222 Tagen darauf zurückblicken werde und mir denken:

Oh Mann, da an dem Freitag, an deinem Schreibtisch mit einer Flasche 1,99 Rotwein

hat die Reise begonnen. Und schau nur, wie weit du gekommen bist.

Und vorallem: wie scheiss verdammt glücklich du bist.

Veränderung als Quintessenz.

Wir vergessen manchmal, dass Veränderung kein Moment ist sondern ein Prozess. Dass wir uns entwickeln, wachsen, werden und nicht plötzlich aufwachen und einfach so sind. Was wir erleben, was wir erfahren und lernen ist es, was uns ausmacht. Unsere Stärken und Schwächen sind Überbleibsel einer anstrengenden Reise, einer wilden Fahrt durchs Leben. Wir haben Entscheidungen getroffen, die uns endgültig erschienen, Dinge abgeschlossen und losgelassen, im Buch der Zeit eine Seite weiter geblättert - nur um zu merken, dass bereits im nächsten Kapitel ganz und gar nichts endgültig oder abgeschlossen ist. Etwas hat sich verändert, wir haben uns verändert und plötzlich scheint wieder alles offen zu sein.

 

Vielleicht haben wir einst entschieden stark zu sein, unangreifbar. Wir wollten die Welt im Alleingang erobern, uns nicht aufhalten mit Kleinigkeiten wie Problemen oder Kummer. Wir waren entschlossen, furchtlos. Herausforderungen waren nichts weiter als Möglichkeiten, Hindernisse waren nichts weiter als filigrane Hürden, die wir mühelos durchschritten haben. Und dann hat sich alles verändert, haben wir uns verändert. Sind verloren gegangen im Strudel des Seins und irgendwann aufgetaucht: zerbrochen, verletzt, angeschlagen, kraftlos, all unserer Illusionen beraubt.

 

Was tun, wenn die Veränderung so hohe Wellen schlägt, dass man kein Land mehr sehen kann? Wie findet man zurück auf den Weg "alles wird gut"?

 

Die Wahrheit ist: es gibt kein zurück. Wir können unser Leben nur vorwärts leben. All die Rückschläge sind am Ende doch nur Richtungswechsel, all der Schmerz ist am Ende doch nur der Treibstoff, der uns werden lässt. Hin und wieder gehört es dazu unglücklich zu sein, sei es um den Unterschied zu merken, wie es ist glücklich zu sein. Zu leben bedeutet nicht immer das zu kriegen was man will, zu werden wie man sein wollte, das zu haben was man verdient. Es bedeutet sich ständig neu zu erfinden, selbst ein Teil der Veränderung zu sein, stets über sich hinaus zu wachsen, seine Bedürfnisse und Wünsche zu überdenken und realisierbar zu machen. Wir können nicht alle Prinzessin sein, oder Feuerwehrmann. Wir können nicht alle ein blaues Haus mit weißem Holzzaun und gelber Rutsche im Garten haben. Wir können nicht alle die Welt bereisen, Abenteuer erleben und den Sonnenuntergang am Kilimandscharo sehen. Es geht darum auf den Wellen der Veränderung zu reiten und sich nicht davon fortreißen zu lassen. Es geht darum zu akzeptieren, dass manche Dinge passieren müssen, um eine karmische Kette an Ereignissen auszulösen, die am Ende dazu führen wird, dass wir weiterkommen.

 

Wir müssen aufhören uns an etwas zu klammern aus Angst vor Veränderung. Es ist keine Option dauerhaft unglücklich zu sein, nur um alles so lassen zu können wie es ist. Am Ende wird es nicht darauf ankommen den geraden Weg gewählt zu haben, sondern den vielfältigen. Wir werden unser Leben nicht messen an den Dingen, die immer gleich dahingedümpelt sind. Es wird um den Schmerz gehen, den wir überwunden haben, die Entscheidungen, die wir bereuen, die Probleme, an denen wir gescheitert sind. Die Erfahrung daraus wird das sein, was zählt. Die gebrochenen Herzen, die tausend Scherben, die wir stets wieder zusammengeklebt haben. Die unermessliche Freude, die wir erleben durften, das wahre Glück, das nur aus Veränderung entstehen kann. Es wird darauf ankommen, wie oft man sich verloren und wieder gefunden hat, neu erfunden hat. Das Leben ist ein Spielfeld, gemacht aus unendlich vielen Möglichkeiten. Hin und wieder muss man die Taktik verändern, um weiterzukommen. Hin und wieder braucht es ein wenig Glück oder zumindest eine gute Strategie. Hier ist deine Startlinie.

 

Aber sei darauf gefasst. Sobald du sie überquerst beginnt sich alles zu verändern.

Irrgarten.

Es kommt dieser Moment, in dem dein Leben beginnt. Vielleicht ist es die bestandene Lehrabschlussprüfung, die Matura, der Tag an dem du deinen Führerschein kriegst. Vielleicht ein bestimmter Geburtstag, ein besonderes Erlebnis. Irgendetwas passiert und plötzlich hat das Leben begonnen. Vorher waren wir Schüler, Kinder, Töchter, Söhne - wir erfüllten eine Rolle. Aber auf einmal waren wir etwas anderes. Plötzlich hat man einen Plan, ein Ziel. Man sieht einen Weg, den man gehen möchte. Man verfolgt eine Vorstellung, beginnt eine Suche. Wir fangen an, unwissend wo wir enden werden. Unser Leben setzt sich in Bewegung und wir gehen mit.

 

Wir versuchen etwas und scheitern, verlieben uns und werden verlassen, riskieren etwas und verlieren. Wir versuchen Schritt zu halten mit der Welt, mit dem Leben. Wir leben von geborgter Zeit und versuchen sie einzuholen - irgendwie. Und plötzlich werden wir überrannt. Dinge, die wir uns zurecht gelegt und an denen wir uns orientiert haben verlieren ihre Bedeutung. Wertigkeiten ändern sich. Ziele verblassen. Wir haben auf Teufel komm raus angefangen zu Leben und wie aus dem nichts stehen wir da und fragen uns: Was zur Hölle mache ich eigentlich?

 

Das Leben ist ein Irrgarten aus Entscheidungen und Zufällen, aus Schicksal und Vernunft, aus Gefühlen und Bestimmung. Manchmal ist es völlig egal wie schnell wir rennen, wie klar wir etwas vor Augen haben - wir können nicht planen was passieren wird, wo es uns hinbringen wird, wer wir sein werden wenn wir ankommen. Und viel zu oft fühlt es sich so schrecklich einsam an.

 

Vielleicht geht es darum. Sich manchmal zu verirren. Untergehen in den Windungen des Lebens. In der Dunkelheit zu stehen und nicht weiter zu wissen. Es ist die einzige Möglichkeit wieder Licht zu sehen, einen Weg zu finden. Etwas zu finden, von dem man gar nicht wusste, das man es gesucht hat. Auf etwas zu treffen, das man nicht erwartet hat.

 

In Wahrheit ist es doch so: Wir gehen verloren und finden uns selbst. Zumindest so lange, bis wir uns wieder verirren. Aber das gehört dazu. Ein bewegtes Leben zu führen bedeutet nicht immer nur vorwärts zu gehen. Hin und wieder muss es auch mal links oder rechts eine Abbiegung geben, um die Dinge anders zu sehen. Hin und wieder müssen wir verloren gehen, um etwas Neues zu finden: uns selbst.

 

Ich glaube fest daran, dass all die Tränen, der Schmerz, das Leid, der Kummer, die Sorgen, die Wehmut, die Sehnsucht, die Einsamkeit, die Dunkelheit, der Stillstand für etwas gut sind. Dass die vielen Wirrungen des Lebens etwas bedeuten und nicht nur Schikane sind. Dass es uns an Kreuzungen bringt, die unumgänglich sind. Dass es uns an Grenzen bringt, die wir überschreiten sollten. Dass dieser Irrgarten, in den wir abdriften, bedeutet auf dem richtigen Weg zu sein.

Ein Leben im Gleichgewicht bedeutet auch das Gleichgewicht zu verlieren.

 

 

 

 

 

 

Für Patrick.

 

 

 

Die Antwort auf die Frage.

Es ist wohl schon ein paar Jahre her, da stellte mir jemand eine wichtige Frage:

 

Wie sollst du wissen, dass du fähig bist zu lieben,

wenn du niemanden hast

den du lieben kannst?

 

Nun. Damals schmeckte diese Frage nach Einsamkeit, Unzulänglichkeit. Nach Sehnsucht, nach Schmerz. Wenn wir ehrlich sind, brauchen wir doch alle jemanden oder zumindest etwas, den oder das wir lieben können. Es geht darum das Glück zu teilen, um es zu verdoppeln... und all diesen Kram. Liebe ist das, was unsere Welt noch zusammenhält.

 

Was mir in dem Moment wohl nicht klar war: die Liebe ist ein Buch mit etwa einer Trillion Kapiteln - wer zur Hölle sollte also bestimmen dürfen welche Art von Liebe die "einzig wahre" ist?

 

Heute ist es anders. Heute weiß ich, nein ich bin mir sicher, dass die einzig richtige Antwort auf die Frage gewesen wäre: Du tust mir schrecklich leid.

 

Natürlich ist es schön - um nicht zu sagen fast ein Wunder - jemanden zu haben, den man lieben kann. Einen Menschen, der einen versteht, der deine Sorgen und auch all deine Freude teilt, jemand, der dir ein Zuahuse gibt. Der dort beginnt, wo du endest. Liebe ist fabelhaft.

Aber die Liebe hat so viel mehr Facetten als nur diese eine. Es geht um Zufriedenheit, Glück. Es geht um Freude. Darum, es zu genießen - was immer es auch ist. Das ist Liebe. Das Leben lieben, sich selbst lieben. In der Unterwäsche durch die Wohnung tanzen und lachen. Den Lieblingssong 25mal hintereinander abspielen und lauthals mitsingen. Im Stau stehen und sich sonnen. Ein furchtbares Date überstehen und schmunzeln. Allein eine Flasche Wein trinken und sich danach ein Gin Tonic eingießen. Eines Morgens aufzuwachen und zu wissen, dass man seinen Liebeskummer überstanden hat. Seine Wohnung so einzurichten wie man es ganz allein für schön befindet. Liebe ist so viel mehr als jemanden zu lieben. Es geht ums glücklich sein. Es geht darum zu wissen, dass man jederzeit bereit ist sein Herz für jemanden zu öffnen - es aber nicht zu müssen, nur damit irgendetwas besser wird.

 

Die Antwort auf die Frage lautet:

 

Ich muss niemanden lieben, um zu wissen, dass ich es kann.

 

Und wir sollten es tun. Jeden Tag. Lieben. Den Song, den Stau, die Flasche Wein, den überstandenen Liebeskummer, die Wohnung, das Leben, uns selbst. Wenn wir jemand finden, den wir noch dazu lieben können ist es doch nur eine Zugabe zum ohnehin schönen Leben. Die Richtung lautet immer vorwärts und niemals Stillstand. Vielleicht müssen wir manchmal die Liebe verlieren, um zu entdecken, worin wir sie überall finden können.