Der Autor namens Leben.

 

Mein Lieblingsautor ist das Leben. Es schreibt die großartigsten Geschichten. Die abenteuerlichsten Romane. Die traurigsten Liebesgeschichten. Die besten Kurzgeschichten. Die witzigsten Satiren. Die spannendsten Erzählungen. Die fabelhaftesten Märchen. Es ist das schönste Bildbuch. Der erfahrenste Ratgeber. Der detailierteste Atlas.

 

Die Hauptcharaktere in den Geschichten sind die interessantesten, liebenswürdigsten oder unsymphatischsten Personen. Sie sind manchmal leicht zu verstehen, manchmal total komplex und schwierig. Manche sind Helden in den Geschichten, andere totale Versager. Hin und wieder passiert es auch, dass sie abgelöst werden von anderen Charakteren und von nun an nur noch eine Nebenrolle spielen.

Die Handlungen sind kompliziert. Verschachtelt, verworren. Nur selten sind sie einfach, geradlienig. Und sie drehen sich um die verschiedensten Sachen. Liebe, Trauer, Freude, Freundschaft, Familie, Glück, Hoffnung, Verzweiflung, Mut. Abenteuer. Reisen. Es geht um Probleme. Um Herzschmerz. Es geht um das Leben.

 

Welche Geschichte könnte phantastischer sein als jene, die das Leben selbst schreibt.

 

Manche Geschichten finden kein gutes Ende. Manche gehen genau so aus wie erwartet und andere, andere enden niemals. Manchmal kommt uns sogar vor die eine oder andere Geschichte würde sich wiederholen. Natürlich würden wir manchmal gerne eine Geschichte umschreiben, würden aus einem Liebesdrama eine glücklich endende Romanze machen wollen. Aus einem Abenteuerroman vielleicht eine seichte, dahindümpelnde Geschichte. Aber manchmal kommen wir am Ende einer Geschichte an und begreifen, dass es niemals einen Hauptteil gegeben hat. Es war alles nur Einleitung, die nirgendwo hin führte. Und als genug Buchstaben und Worte in diese Geschichte geflossen waren kam das Ende.

 

Das Leben als Autor schreibt nicht immer Bestseller. Manchmal sind die Geschichten sogar so schlecht, dass man sie am liebsten verbrennen würde. Und nach einigen Jahren finden wir sie dann auf den 99% Rabatt Wühltischen unserer Seele wieder. Aber andere Geschichten.. das sind wahrhafte Meisterwerke. Sie sprühen vor Phantasie, vor Originalität und vor neuen Erfahrungen. Und weil sie so schön sind, bringt das Leben stets neue Bände hervor und füllt ganze Bibliotheken in unseren Herzen damit. Es sind jene Geschichten, in denen sich die Charaktere gemeinsam entwickeln, gemeinsam in Abenteuer stürzen, sich verlieben, verloben, doch wieder trennen. Es gibt Herzschmerz, Frust, Glück, Trauer, Freude und so vieles mehr. Wir lernen aus diesen Geschichten, nehmen Erinnerungen daraus mit. Und jedes mal, wenn die Geschichte ein Ende findet, blicken wir sehnsüchtig auf die vergangenen Seiten zurück und wünschen uns, wir könnten jeden einzelnen Buchstaben nochmals schreiben, nochmals erleben.

 

Aber genau das ist das Phantastische daran: Wir müssen nicht ein einziges Buch zweimal lesen, es gibt jeden Tag Stoff für ein neues. Und auch wenn wir vielleicht mal eine Zeit lang auf der selben Seite hängen bleiben und das Gefühl haben, wir schaffen es einfach nicht umzublättern, so wissen wir doch, dass jede Geschichte einmal ein Ende hat. Und jedes Buch einen neuen Anfang.